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Wie wichtig ist Berufserfahrung wirklich? Spoiler: Gar nicht!

Berufserfahrung. Noch besser. Einschlägige Berufserfahrung. Wieso war das eigentlich noch nie Unwort des Jahres?


Ihr Fehlen bedeutet für viele Bewerber*innen eine Häufung von Absagen. Die Logik dahinter erscheint erstmal eindeutig. Haste lange in einem Bereich gearbeitet, haste mehr gesehen und gemacht. Also haste mehr relevantes Wissen und passende Fähigkeiten. Also wirste im Job bessere Leistung bringen.


Ja, unser Hirn liebt einfache und intuitiv logisch erscheinende Zusammenhänge. Die Kraft dieser Logik geht so weit, dass viele Menschen aus meinem Umfeld sich nicht auf Stellen bewerben, bei denen sie selber finden, dass sie nicht genug einschlägige Berufserfahrung haben. Self-Rejection. Der kleine, fiese Cousin des Imposter-Syndroms.


Meine sarkastische Sichtweise darauf lautet: Eine vielleicht hohe Anzahl potenzieller Bewerber*innen, bewirbt sich erst gar nicht, weil sie denken (sic!), dass eine vielleicht hohe Anzahl rekrutierender Menschen vielleicht findet, dass die Berufserfahrung nicht ausreicht.


Okay. Diese Sichtweise wird sogar teilweise durch Forschung gestützt. Eine aktuelle Studien von Wechtler und Kolleg*innen (2022) zeigt, das Hiring Manager*innen Menschen mit atypischem Lebenslauf (hier: zu wenig oder zu viel einschlägige Erfahrung) selterner zum Bewerbungsgespräch einladen. Wenn dieses Verhalten im Zeitverlauf die Runde macht, ist es nicht verwunderlich, dass sich atypische Bewerber*innen seltener bewerben.


Das finde ich absurd. Warum? Ganz einfach. Erfahrung wird implizit als "Proxyvariable" für passende Fähigkeiten herangezogen. Und ich bin mir nicht sicher, ob das eine sinnvolle Vereinfachung ist. Und deshalb habe ich mich mal auf die Suche nach Studien begeben, die die Relevanz der vorherigen Berufserfahrung für die Leistung im aktuellen Job analysieren.


Wie wichtig ist Berufserfahrung für die Leistung im neuen Job?

Die Forschung dazu ist jetzt nicht total üppig. Bereits 1995 finden Quinones und Kolle*innen in einer Meta-Analyse heraus, dass die Korrelation zwischen vorheriger Berufserfahrung und späterer Arbeitsleistung 0.27 beträgt. Ein relevanter Zusammenhang wäre aus meiner Sicht ab einer Korrelation von 0.40 oder 0.50 gegeben. Wäre es eine bivariate Korrelation, würde 0.27 bedeuten, dass die Berufserfahrung ungefähr 7 % der Varianz der Arbeitsleistung erklärt...von 100 möglichen Prozent wohlgemerkt. Oder anders: 7 Prozent der Unterschiede in der Arbeitsleistung lassen sich durch Unterschiede in der Berufserfahrung begründen.


Ja, okay. Ich höre euch schon tippen: "Aber, DataDan, die Studie ist von 1995."


Hold my Jever Fun.


Eine neuere Meta-Analyse von Iddekinge und Kolleg*innen (2019) hat sich der Frage ebenfalls angenommen. Das Ergebnis? Die Korrelation zwischen vorheriger Berufserfahrung und aktueller Arbeitsleistung ist 0.06. Demnach werden 0.4 Prozent der Unterschiede in der Arbeitsleistung durch Unterschiede in der vorherigen Berufserfahrung erklärt.


Wir sind uns bitte einig, dass 0.4 % bitte null sind.


Jetzt höre ich euch denken: "Das kann doch nicht sein. Wie viele potenziell geeignete Menschen haben wir allein im letzten Jahr abgelehnt, weil wir uns auf die bisherige Berufserfahrung fokussiert haben."


Die Antwort ist: Wahrscheinlich zu viele.


Aber ich gebe noch nicht auf. Schließlich gibt es da ja noch eine sehr gute Literatur zur Validität von Auswahlverfahren im Recruiting. Die analysiert ja im Prinzip auch die mittleren Korrelationskoeffizienten zwischen verschiedenen Auswahlkriterien und der späteren Arbeitsleistung.


In einer sehr schönen Übersicht über die Ergebnisse verschiedener Meta-Analysen in dem Bereich hat Prof. Dr. Benedikt Hell diese Korrelationen anschaulich dargestellt. Das für mich entscheidende Ergebnis ist, dass die Korrelation zwischen Berufserfahrung und Leistung in der Meta-Analyse von Schmidt und Hunter (1998) bei 0.18 liegt. In einer brandaktuellen Meta-Analyse von Sackett und Kolleg*innen (2023) sinkt diese Korrelation sogar auf 0.07.


Meine lieben Daten-Freund*innen. Das reicht mir für ein Fazit. Denn diese Ergebnisse beruhen auf über 150 Einzelstudien aus über 50 Jahren der Forschung (basierend auf dem Erscheinungsdatum der Primärstudien in den Meta-Analysen).


Wir müssen uns alle eingestehen, dass wir die Relevanz von Berufserfahrung für das Leistungspotenzial im neuen Job deutlich überschätzt haben. Und der Grund wird sein, dass wir fälschlicherweise, wie so oft, Zeit (Berufserfahrung in Jahren) mit Fähigkeit (Output der Erfahrung) gleichsetzen.


Meine klare Empfehlung lautet. Schaut euch die Fähigkeiten der Menschen an. Prüft diese Fähigkeiten mit strukturierten Einstellungsinterviews oder einem fundierten Test des relevanten Arbeitswissens und ergänzt es um einen Integritätstest. Wenn Bewerber*innen (egal welchen Hintergrunds) diese Auswahlverfahren rocken, dann stellt sie ein. Egal was die Erfahrung sagt.


 

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