Künstliche Intelligenz (KI) verändert das Personalmanagement nun schon seit einigen Jahren rasant. Das gilt für den ganzen Einsatzbereich entlang aller Funktionen des HR vom Bewerbermanagement über Mitarbeiteranalysen bis hin zu Chatbots für den HR-Support. Doch mit den Chancen kommen auch Pflichten. Der EU AI Act stellt klare Anforderungen an den Umgang mit KI, insbesondere in Artikel 4 auch an die Kompetenz der HR-Profis, die diese Technologien einsetzen.
Laut Artikel 4 des EU AI Acts müssen nicht nur Entwickler, sondern auch Anwender, z.B. also HR-Teams, die KI einsetzen, über eine ausreichende KI-Kompetenz verfügen. Dabei geht es nicht nur um technisches Know-how, sondern auch um regulatorische und anwendungsspezifische Kenntnisse.

Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Die Auslegung rechtlicher Anforderungen, wie sie hier beschrieben wird, basiert auf meiner persönlichen Einschätzung. Für verbindliche rechtliche Einschätzungen oder konkrete Fragen zum EU AI Act oder der EU-DSGVO empfehle ich, sich an eine qualifizierte Expertin wie Nina Diercks zu wenden. Sie ist eine herausragende Juristin und Spezialistin und ich schätze Ihre Beiträge und ihr Know-how, wenn es um rechtliche Sicherheit im Umgang mit KI geht.
Was bedeutet "ausreichende KI-Kompetenz"konkret für HR?
Um Dir Orientierung zu geben, habe ich nach bestem Wissen ein praxisnahes Kompetenzmodell skizziert, das zeigt, für welche Fähigkeitsbereiche sich HR-Profis interessieren sollten, um KI möglichst sicher, effektiv und gesetzeskonform einzusetzen. Dazu gibt es konkrete Beispiele aus dem HR-Alltag – damit klar wird, warum diese Kompetenzen nicht nur "nice-to-have", sondern notwendig sind.
Ein Kompetenzmodell für HR im Rahmen des EU AI Acts könnte folgende Dimensionen umfassen:
Grundlagenwissen über KI: Verständnis der grundlegenden Funktionsweise von KI-Systemen, insbesondere in HR-Anwendungen wie u.a. Bewerbermanagement, Mitarbeiteranalyse oder Chatbots. Dazu zählt KI insgesamt und nicht nur der momentane Hype-Bereich generativer KI.
Regulatorisches und ethisches Wissen: Kenntnisse zu den möglichen gesetzlichen Vorgaben (z.B. Datenschutz, Arbeitsrecht, Gleichstellung, Diskriminierungsfreiheit) und ethischer Prinzipien, um faire und transparente Entscheidungen zu gewährleisten.
Anwendungskompetenz: Fähigkeiten, konkrete KI-Tools effektiv einzusetzen und deren Ergebnisse zu interpretieren, z.B. bei der Analyse von Mitarbeiterdaten oder der Automatisierung von Prozessen.
Risikobewusstsein: Identifikation potenzieller Risiken (z.B. Verzerrungen in Algorithmen) und Entwicklung von Maßnahmen zur Risikominimierung (z.B. Konzepte zum Monitoring von KI-Tools).
Kommunikationskompetenz: Fähigkeit, seine Anforderungen an KI-Systeme klar zu formulieren und mit Entwicklern oder Anbietern deutlich kompetenter zusammenzuarbeiten.
Euer Kompetenzmodell könnte natürlich auch anders aussehen. Bei dieser Modellskizze legt der Fokus auf praxisorientierten Kenntissen und der Einhaltung regulatorischer Vorgaben, um eine kompetente Nutzung von KI im HR-Bereich zu ermöglichen. Ich würde Dir gerne jede dieser Dimensionen jeweils anhand eines Beispiels näher erläutern.
Dimension 1: Grundlagenwissen über KI - verstehen, wie die Technik tickt
Warum ist diese Dimension wichtig? Ohne ein solides Grundverständnis davon, wie KI-Systeme funktionieren, bleibt man blind für mögliche Schwachstellen. Wer die Logik hinter verschiedenen Algorithmen nicht kennt, kann weder deren Grenzen einschätzen noch deren Ergebnisse sinnvoll hinterfragen.
HR-Beispiel: Automatisiertes Bewerbermanagement
Ein KI-gestütztes Tool filtert Bewerbungen nach bestimmten Kriterien. Klingt effizient. Aber was passiert, wenn das System Bewerbungen von Kandidaten mit Lücken im Lebenslauf systematisch aussortiert, weil es „stabile Karrieren“ höher bewertet? Ohne Grundlagenwissen über die Datenverarbeitung hinter den Algorithmen und deren Funktionsweise merkt niemand, dass hier potenziell qualifizierte Bewerber benachteiligt werden. Das kann zu unfairen Auswahlprozessen führen und letztlich zu einem Verlust von Top-Talenten.
Dimension 2: Regulatorisches und ethisches Wissen - die rechtliche und moralische Brille aufsetzen
Warum ist diese Dimension wichtig? KI darf nicht nur effizient sein, sie muss auch rechtlich und ethisch einwandfrei funktionieren. HR-Profis müssen wissen, welche Gesetze zu beachten sind und wie sie ethische Grundsätze in der Praxis ihres HR-Alltags umsetzen.
HR-Beispiel: Diskriminierungsfreie Mitarbeiterbewertung
Ein Unternehmen setzt KI-gestützte Tools zur Analyse von Mitarbeiterleistungen ein. Das System bewertet Verkaufszahlen, Arbeitszeiten und sogar Kommunikationsmuster. Doch plötzlich zeigt sich: Mitarbeiterinnen mit Teilzeitverträgen schneiden schlechter ab. HR muss erkennen, dass hier eine unfaire Benachteiligung vorliegt, die möglicherweise gegen Gleichbehandlungsgrundsätze verstoßen könnte. Mit regulatorischem und ethischem Wissen können HR-Profis solche Fallstricke frühzeitig identifizieren und entsprechende Anpassungen vornehmen. Vielleicht wären KI-kompetente HR-Profis sogar vor der Umsetzung dieses Use Cases zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht um ein sinnvolles Anwendungsgebiet für KI handelt.
Dimension 3: Anwendungskompetenz - KI-Tools effektiv nutzen und Ergebnisse richtig interpretieren
Warum ist diese Dimension wichtig? Es reicht nicht, dass ein KI-Tool funktioniert. HR muss auch verstehen, wie man es im Alltag sinnvoll einsetzt und wie die Ergebnisse zu interpretieren sind. Blindes Vertrauen in KI-Auswertungen kann zu Fehlentscheidungen führen.
HR-Beispiel: Mitarbeiterbindungsanalysen
Ein KI-Tool analysiert Mitarbeiterdaten, um vorherzusagen, wer das Unternehmen verlassen könnte. Die Ergebnisse zeigen, dass jüngere Mitarbeiter mit weniger Betriebszugehörigkeit ein höheres Risiko haben. HR muss in der Lage sein, diese Informationen im Kontext zu betrachten: Liegt das Risiko wirklich an der Betriebszugehörigkeit oder an anderen Faktoren wie fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten? Die Fähigkeit, KI-Resultate kritisch zu hinterfragen und nicht als „absolute Wahrheit“ zu sehen, ist entscheidend. HR-Profis mit Anwendungskompetenz würden vielleicht sogar erkennen, dass der Einsatz von klassischen Methoden der multivariaten Statistik anstelle von maschinellem Lernen hier besser passt.
Dimension 4: Risikobewusstsein - die Schattenseiten der KI erkennen
Warum ist diese Dimension wichtig? KI-Systeme sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie gefüttert werden. Verzerrungen (Bias) in den Daten oder Algorithmen können zu unfairen Entscheidungen führen. HR muss in der Lage sein, potenzielle Risiken vorab zu identifizieren und geeignete Gegenmaßnahmen anzustoßen.
HR-Beispiel: Bias in der Rekruitierung
Ein Recruiting-Tool wird mit historischen Bewerberdaten trainiert – doch diese Daten spiegeln alte Vorurteile wider, z.B. eine Bevorzugung von männlichen Kandidaten in Führungspositionen. Die KI übernimmt diese Verzerrungen unbemerkt. Ohne Risikobewusstsein bleibt dieses Problem unentdeckt und führt zu diskriminierenden Auswahlverfahren. HR-Profis müssen erkennen, wo Bias entstehen kann, und proaktive Maßnahmen ergreifen, wie z.B. eine Diversifizierung der Trainingsdaten einfordern.
Dimension 5: Kommunikationskompetenz - die Brücke zwischen HR und Technik schlagen
Warum ist diese Dimension wichtig? HR-Profis müssen ihre Anforderungen an KI-Systeme klar formulieren können und in der Lage sein, mit Entwicklern, Anbietern und anderen Stakeholder*innen effektiv zu kommunizieren. Das bedeutet, technische Details so zu verstehen, dass man sie im HR-Kontext richtig einordnen kann.
HR-Beispiel: Zusammenarbeit mit KI-Anbietern
Dein Unternehmen will einen KI-gestützten Chatbot für Mitarbeiteranfragen einführen. Der Anbieter stellt ein Standardprodukt vor, das jedoch nicht alle HR-spezifischen Anforderungen erfüllt, weil es kein professionelles Zugriffsrechtekonzept für die hinterlegten Dokumente und Policies gibt. Oder das Frontend des Chatbots ist nicht inklusiv gestaltet und benachteiligt Menschen mit Behinderung in dessen Bedienung. HR-Profis müssen die Fähigkeit haben, diese Anforderungen präzise zu kommunizieren und sicherzustellen, dass der Chatbot nicht nur funktional, sondern auch datenschutzkonform und nutzerfreundlich ist. Ohne diese Kommunikationsbrücke bleiben wichtige HR-Aspekte unberücksichtigt.
Fazit: KI-Kompetenz ist kein "Nice-to-have", sondern Pflichtprogramm für HR
Der EU AI Act macht aus meiner Sicht klar, dass KI-Kompetenz nicht einfach nur eine durch Schulungen umsetzbare technische Herausforderung ist. KI-Kompetenz ist mehrdimensional. Meiner Meinung nach muss der Erwerb dieser Kompetenz nicht allein durch Schulungen erfolgen, sondern gezielt mit realem Kompetenzerwerb in Anwendungsszenarien und fortlaufendem informellen und kommunikativen Austausch nach Community-basiertem Ansatz erfolgen.
Menschen lernen meiner Meinung nach, indem sie beschultes Wissen konkret und fortlaufend anwenden. HR-Profis müssen nicht zu Datenwissenschaftler*innen oder Computerlinguist*innen werden. Aber sie müssen praxiserprobt verstehen, wie KI funktioniert, welche Risiken bestehen und wie man diese Technologie sinnvoll einsetzt.
Mit dieser Skizze eines praxisnahen Kompetenzmodell, das technisches Wissen, Anwendungskompetenz, Risikobewusstsein und Kommunikationsfähigkeit kombiniert, möchte ich Dich ermutigen innerhalb Deiner HR-Abteilung den Anforderungen des EU AI Acts an KI-Kompetenz gerecht werden und gleichzeitig die Vorteile von KI voll ausschöpfen.
Weiterbildungsangebote für Ihre KI-Kompetenz im HR-Bereich
Falls Du Deine KI-Kenntnisse gezielt vertiefen möchten, habe ich einige spannende Weiterbildungsangebote recherchiert, die Dir vielleicht helfen können, im HR-Bereich sicher und kompetent mit KI umzugehen:
Hinweis: Ich werde für die Nennung dieser Kurse weder bezahlt noch erhalte ich Affiliate-Prämien. Es handelt sich um Empfehlungen, die ich durch eigene Recherchen zusammengetragen habe.
Ich hoffe, dass Dir dieser Artikel eine Orientierungshilfe in der aufgeheizten Diskussion um die EU KI Verordnung ist. Ich möchte Dich ermutigen, dass Du Deine KI-Kompetenz erhöst und damit viele tolle Anwendungsfälle für KI im Personalmanagement umsetzt. Viel Erfolg!
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Additional information: This article reflects my personal views only and is not necessarily the view of the companies, I am associated with.
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