Weißt'e wonach Du die Uhr stellen kannst? Danach, dass sich Leistungs-Günthers und Jugendspielultras auf Social Media regelmäßig über das Niveau der Krankheitstage aufregen. Sichtbare Geschäftführer von Firmen und Unpopular-Opinion-Leader stimmen mit ein. Das Fazit: Die Mitarbeitenden in Deutschland sind faul oder feiern (!) krank.
Da komm' ich aus dem Kopfschütteln beim Morgenkaffe gar nicht raus.
Zum Glück gibt es auch differenziertere Stimmen, wie die von Ralf Lanwehr. In einer dreiteiligen Post-Serie hat er dieser kruden These wissenschaftlich auf den Zahn gefühlt:
Artikel 2: Arbeiten menschen in Griechenland wirklich mehr?
Artikel 3: Karenztag: Ja oder Nein?
Klickt euch gerne mal durch. Sehr lehrreich und eben genau so differenziert, wie die Realität rund um das Kranksein eben ist. Ich möchte diese Diskussion zum Anlass nehmen und anhand von existierenden Daten mal prüfen, ob man im Fall erhöhter Krankheitszahlen nicht auch mit dem Finger auf die Führungskräfte zeigen könnte, die solche Vorwürfe formulieren. Denn, öffentliche Bekundungen gegen Karenztage oder Verbreitungen des simplen Mythos krank-feiernder deutscher Mitarbeitender sprechen für einen altmodischen ehe transaktionalen oder autoritären Führungsstil.
Führung und Gesundheit – Wo ist der Zusammenhang?
Die grundlegende Idee, dass eine gute Führungskraft mehr ist als nur ein Organisator, wird durch umfangreiche Meta-Analysen untermauert. Eine davon ist Kuoppala und Kolleg*innen (2008), die ich übrigens über Consensus.app gefunden habe. Die Autor*innen zeigen, dass Führung positiv mit dem Wohlbefinden am Arbeitsplatz zusammenhängt. Konkret fanden die Autor*innen moderate Hinweise darauf, dass bessere Führungsqualität nicht nur das Wohlbefinden steigert, sondern auch mit weniger Krankheitstagen und geringeren Quoten von Erwerbsunfähigkeitsrenten einhergeht. Alles wunderbar? Na ja, die Beziehung guter Führung zur Arbeitszufriedenheit fällt leider etwas schwächer aus, als ich gedacht hätte. Trotzdem: "Weniger Arbeitsausfälle und höhere Gesundheit" klingt nach einem echten Argument für Investitionen in Führungstrainings.

Die Rolle unterschiedlicher Führungsstile für die Mitarbeitergesundheit
Gute Führung ist nicht gleich gute Führung. Eine Meta-Analyse von Montano et al. (2017) hat unterschiedliche Führungsstile (z.B. transformational, aufgabenorientiert, beziehungsorientiert) im Blick gehabt. Sie haben festgestellt, dass positive Stile das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ganz erheblich fördern können.
Das heißt: Ein Chef oder eine Chefin, der/die die eigene Mannschaft inspiriert, motiviert und ernsthaft unterstützt, pusht damit Gesundheit und Zufriedenheit. Umgekehrt haben destruktive Führungsstile einen richtig negativen Einfluss. Das ist wie ein Bumerang – nur dass er nicht zurück zum Chef fliegt, sondern bei den Mitarbeitenden einschlägt (und dann in den Krankenzahlen sichtbar wird).
Besonders relevant für Mitarbeitende mit niedrigerem Einkommen
Wusstest du, dass Mitarbeitende mit niedrigerem sozioökonomischem Status sogar noch stärker auf gute (oder schlechte) Führung reagieren als Mitarbeitende mit besserem Einkommen? Das zeigt eine Meta-Analyse von Pajic et al. (2021). Während konstruktive Führung für sie einen überproportional positiven Effekt auf die mentale Gesundheit haben kann, ist es andersherum genauso heftig: Destruktive Führung trifft sie stärker.
Gerade in Branchen mit vielen Beschäftigten im Niedriglohnsektor sollte dieses Thema also ganz oben auf der Agenda stehen. Denn wenn du diese Leute verlierst (durch hohe Fluktuation oder lange Ausfallzeiten), dann verlierst du nicht nur Geld und Zeit, sondern auch wertvolles Know-how.
Transformational Leadership rockt einfach
Wenn du jetzt denkst: „Ja toll, aber welche Führung funktioniert denn nun wirklich?“, gibt es auch dazu klare Antworten. Teetzen et al. (2022) unterstreichen die Bedeutung von transformationaler Führung. Die Studie betont, dass dabei insbesondere die Verfügbarkeit von organisatorischen Ressourcen (z.B. Weiterbildungsmöglichkeiten, kollegiale Unterstützung) ein starker Mediator ist.
Heißt auf gut Deutsch: Eine Chefin, die ihre Leute in Entscheidungen einbindet, ihnen Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet und sie inspiriert, schafft ein Umfeld, in dem sich Mitarbeitende einfach wohler fühlen. Das verringert Stress und erhöht die Motivation. Und wie wir gesehen haben, wird das Ganze durch entsprechende Ressourcen sogar noch weiter verstärkt.
Autonomie schlägt Druck bei Führungsfragen
Du hast vielleicht schon mal gehört, dass Menschen, die bei der Arbeit Freiräume bekommen, tendenziell motivierter sind. Slemp et al. (2018) bestätigen in ihrer Meta-Analyse diesen Effekt für sogenannte „leader autonomy support“: Wenn Führungskräfte ihren Leuten Verantwortung übertragen, ihnen Vertrauen schenken und Eigenständigkeit ermöglichen, dann geht’s ab nach oben mit dem Wohlbefinden und nach unten mit dem Stresslevel.
Wer hätte gedacht, dass weniger Micromanagement und mehr Vertrauen wirklich Wunder wirken können? Vielleicht jede Person, die schon mal einen komplett überkontrollierenden Chef erlebt hat. 🤣
Führungskräfte: Packt euch an die eigene Nase!
Angesichts steigender Krankmeldungen in Deutschland kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, das Thema Führung nur als „soft skill“ abzutun. Genauso wenig sollten HR-Verantwortliche oder Geschäftsleitungen meinen, mit der Investition in Führungskräfteentwicklung allein sei schon alles getan. Denn Führung ist ein Prozess, der sich laufend weiterentwickelt und an Veränderungen angepasst werden muss – gemeinsam mit den betroffenen Teams.
Die Führungsqualität ist also nicht nur irgendein netter Bonus, sondern hat handfeste Auswirkungen auf die Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit deiner Mitarbeitenden. Gute Führung lohnt sich also nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich – gerade in Zeiten, in denen Krankheitsfälle gefühlt nur eine Richtung kennen: aufwärts.
Wer kranke Belegschaften reduzieren und motivierte Teams formen will, sollte bei der Führungsqualität anfangen. Das ist keine Raketenwissenschaft, aber es bedarf Konsequenz, Fokus und Herzblut. Positive Leadership-Stile wirken wie ein Gesundheitsboost, destruktive Führung hingegen wie ein Stimmungskiller par excellence. Und weil vor allem Mitarbeitende mit niedrigerem Einkommen davon abhängig sind, dass sie in stressigen Zeiten nicht auch noch von oben Druck kriegen, lohnt es sich umso mehr, Führung als strategischen Hebel für nachhaltige Gesundheit im Unternehmen zu begreifen.
Eine ganz persönliche Perspektive noch: Es ist vielleicht sinnvoll zunächst mal die Führungsprozesse und den Workload im eigenen Unternehmen zu hinterfragen, bevor man sich an die Presse wendet und von "Krankfeiern" spricht.
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